Zwischen Idealisierung und Individualität: Weibliche Darstellungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts

Mit seinem Bildnis der „Madame de Pompadour“ von 1756 führt François Boucher die französische Porträtkunst des Rokoko zu einem neuen Höhepunkt. Bei der Dargestellten handelt es sich um Jeanne-Antoinette Poisson (1721-1764), die als Marquise de Pompadour zur einflussreichsten Frau am Hofe Ludwigs XV. wurde. Intelligent, schön und kunstsinnig, war sie nicht nur die Mätresse des Königs, sondern auch eine politische Beraterin und bedeutende Mäzenin. 

In diesem Porträt, das sie selbst in Auftrag gegeben hatte, ruht die Marquise in einem eleganten Boudoir auf einer Chaiselongue. Die Szenerie ist reich an Symbolik: Bücher mit ihrem Wappen verweisen auf ihre literarischen Interessen, Siegel und Briefe auf ihre politischen Aktivitäten, Notenblätter auf ihre musikalischen Fähigkeiten und Kupferstiche auf ihr künstlerisches Talent. Ihr aufwändig geschmücktes Nachmittagskleid unterstreicht ihre Rolle als Modeikone. Durch einen Spiegel im Hintergrund wird der Betrachter imaginär in den Raum einbezogen.  

Obwohl Pompadour zu dieser Zeit bereits schwer krank war und stark abgemagert gewesen sein soll, stellt Boucher sie in idealisierter Schönheit dar.  

Dementgegen stellt die Porträtkunst des englischen Malers George Romney Zurückhaltung und Anmut in den Vordergrund. Das Bildnis „Catherine Clements“ entstand laut Romneys eigenen Aufzeichnungen in acht Sitzungen zwischen dem 30. September und dem 23. Oktober 1788. Es zeigt die älteste Tochter des einflussreichen irischen Staatsmannes John Beresford als Kniestück in freier Landschaft. Catherine (1760-1836) heiratete im selben Jahr den Parlamentsabgeordneten Henry Theophilus Clements. 

Charakteristisch für Romneys Porträts ist die scheinbare Einfachheit in der Kontur und Farbpalette, die jede Schärfe in Farbe und Haltung der Dargestellten vermeidet. Das Gemälde ist in einem natürlich wirkenden Kolorit gehalten, das ihm eine besondere Zartheit und Eleganz verleiht. Romney verzichtet hier auf dramatische Effekte und konzentriert sich stattdessen auf eine harmonische Gesamtwirkung, die Anmut und Würde der Dargestellten betont. 

In bewusster Abkehr von der realistischen Porträtauffassung, wie sie etwa Reynolds vertrat, strebte Romney eine idealisierte Darstellung an, die das gesellschaftliche Selbstverständnis seiner Auftraggeber widerspiegelte. Das Bildnis der Catherine Clements entstand kurz vor dem gesundheitlichen Einschnitt in Romneys Leben und markiert einen Höhepunkt seines künstlerischen Wirkens. 

In Goyas Porträt der „Marquesa de Caballero“ weicht die höfische Idealisierung einem schonungslosen Realismus, der nicht nur das Äußere, sondern auch die gesellschaftliche Rolle der Dargestellten kritisch hinterfragt. 

Das Bildnis aus dem Jahr 1807 gehört zu Goyas Phase der bürgerlichen Porträtkunst. Es zeigt Doña María Soledad de la Rocha Fernández de la Peña (1774-1809), die seit 1795 Hofdame der Königin Maria Luisa war und 1800 den Justizminister José Antonio Marqués de Caballero heiratete – einen Mann, der als reaktionär und wenig ehrenhaft galt. Das Porträt wurde gemeinsam mit dem Gegenstück ihres Ehemanns geschaffen, anlässlich seiner Ernennung zum Marqués. 

Die Marquesa sitzt leicht aus der Bildmitte gerückt in einem Armlehnstuhl, festlich gekleidet in einem Empirekleid aus blaugrüner Seide mit goldfarbenem, besticktem Voile. Der tiefe Ausschnitt und die kurzen Ärmel entsprechen dem Geschmack der Königin Maria Luisa, die ihre Arme gern betonte. In ihren Händen hält sie einen Fächer und ein Billett, auf dem ihr neuer Titel zu lesen ist. 

Goya zeigt die Dreiunddreißigjährige ohne jegliche Beschönigung. Die gerüschten Spitzen am Ausschnitt und an den Ärmeln betonen ihre wenig vorteilhaften Züge. Die Farbgebung ist zurückhaltend, doch wirkungsvoll – ein Zeichen von Goyas meisterhafter Charakterisierungskunst. Wie schon bei seinem berühmten Porträt der Königin Maria Luisa im Familienbild Karls IV. (Prado, Madrid) lässt sich Goya nicht vom Rang seiner Modelle beeindrucken. Vielmehr legt er ihre menschlichen Schwächen offen und zeigt eine kritische Distanz zu Adel und Macht.